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Weit und breit war oft über mehrere Kilometer nur Wildnis – so wie hier zwischenQuedlinburg und Halberstadt in Sachsen-Anhalt: Die Bergers mussten deshalb auf ihrer Wanderung vor allem auch immer genügend Wasser mitnehmen.

72 Tage zu Fuß unterwegs: Maggi und Alex Berger aus Übersee wandern vom Chiemsee an die Ostsee

In dieser Geschichte geht es nicht um Höchstleistung, Grenzerfahrungen, Entbehrungen oder Rekorde: Diese Tour – vom Chiemsee an die Ostsee – kann jeder machen; ganz entspannt, sodass man sicher und erholt am Ziel ankommt – und das auch noch mit über 50 Jahren. Einzige Voraussetzungen: Gesundheit (besonders Beine und Rücken), eine gewisse Grundfitness, Zeit und Geld. Letzteres gibt Sicherheit und garantiert einen gewissen Komfort wie etwa die Übernachtungen in Hotels und Ferienwohnungen.


Die Idee

Wie kommt man darauf, so eine Tour zu machen? Die Antwort wissen wir – meine Frau Maggi und ich, Alex Berger, – selbst nicht mehr genau. Es lag wohl an dem Wunsch, mit Beginn der Rente etwas Außergewöhnliches zu machen. Inspiriert von einigen Jakobsweg-Pilgern und durch den Umstand, dass wir besser zu Fuß als mit dem Fahrrad sind, sollte es eine lange Wanderung werden.

Dann kam aber schnell die Frage auf: Warum bis zur Rente warten? Jetzt sind wir noch einigermaßen fit – wer weiß, was in sieben bis zehn Jahren sein wird? Unsere Arbeitgeber erwiesen sich Gott sei Dank als sehr hilfsbereit und so konnten wir uns drei Monate »freischaufeln« – und das Ziel »Vom Chiemsee an die Ostsee« war schnell gesetzt.

Die Strecke

Nachdem Start und Ziel bekannt waren, haben wir uns erst mal eine große Deutschlandkarte gekauft und eine gerade Linie von Übersee nach Travemünde gezogen – Luftlinie sind diese beiden Orte rund 850 km voneinander entfernt. Danach suchten wir in der Nähe dieser Ideallinie interessante Punkte, die wir sehen wollten. Die meisten davon haben wir dann auch tatsächlich besucht – zu empfehlen sind: Wasserburg/Inn, Moosburg/Isar, Donau (Kloster Weltenburg, Fähre), Altmühltal, Fränkische Schweiz (z. B.: Gößweinstein), Kulmbach, Frankenwald, Rennsteig, Saalfeld (Saale), Weimar, Kyffhäuser, Harz, Quedlinburg, Dannenberg (Elbe), Hitzacker (Elbe), Ratzeburg, Lübeck und Travemünde.

Von der Ideallinie wichen wir auch etwas ab, um einigen Freunden und Familienangehörigen das »Mitwandern« zu erleichtern. Einige Umwege mussten auch aufgrund fehlender Übernachtungsmöglichkeiten in Kauf genommen werden. In der Endabrechnung kamen deswegen nochmals rund 200 km obendrauf. Bei einer geplanten Tagesstrecke von 15 bis 20 km war dies aber immer noch leicht machbar. Zur täglichen detaillierten Streckenführung haben wir zwei Wander-Apps benutzt.

Die Ausrüstung

Was ist das Wichtigste bei so einer Wanderung? Richtig, die Schuhe! Wir haben uns eingehend beraten lassen und uns für sehr leichte Trekking-Schuhe entschieden. Ein wasserfester Schuh und ein gutes Profil für steiniges Gelände sind ein Muss. Gute Wandersocken sind ebenfalls empfehlenswert. Die Schuhe haben wir schon ein Jahr vorher gekauft und vor der Wanderung schon gut eingelaufen.

Für die Gepäckbeförderung haben wir uns für zwei hochwertige Trekking-Rucksäcke entschieden – schmal und hochaufbauend mit stark gepolstertem Hüftgurt und Schulterriemen und sehr vielen Einstellmöglichkeiten. Inhalt: 35 + 10 Liter für Maggi und 40 + 10 Liter für mich. Die Rucksäcke sind wasserabweisend aber nicht dicht – für stärkere Regenfälle hatten wir einen sehr leichten und riesigen Regenschirm dabei, der uns und die Rucksäcke abdeckte und bei Nichtgebrauch am Rucksack befestigt wurde.

Eine Auswahl von Dingen, die sich für uns als sinnvoll erwiesen: Wäsche und Wander-T-Shirts für rund eine Woche, zwei bis drei Paar gute Wandersocken, Wanderhosen (kurz/lang), ein paar Pullis für kältere Tage, wind- und wasserdichte Jacke, leichte Schuhe für nach der Wanderung, Kopfbedeckung, kleine Tube Handwaschmittel (für Notfälle), kleine Bauchtasche für den Schnellzugriff Handy und Geldbeutel, mehrere Beutel/Plastiktüten zum besseren Packen, Kulturbeutel mit minimalen Toilettenartikeln (kleine Packgrößen), leichtes Mikrofaser-Handtuch, Desinfektionsmittel und -tücher, Taschenmesser, Reise-Apotheke mit persönlichen Medikamenten, Anti-Blasen-Stick und Druckstellen-Pflaster zur Blasenvermeidung, Blasenpflaster, Fußcreme, Zeckenzange.

So bepackt (plus einige andere Wunschsachen) wogen die Rucksäcke – je nach Beladung mit Getränken und Jacken – dann 9 bis 12 kg (Maggi) und 11 bi 14 kg (Alex). Mehr als genug, wie wir erfahren mussten.

Die Belastung

So waren es dann auch die Schultern und die Nackenmuskulatur, die jeweils nach rund 10 km anfingen zu schmerzen oder zu verkrampfen. Ein Zustand, der sich während der gesamten Tour immer wieder einstellte – trotz richtiger Einstellung der Tragegurte.

Beine und Füße verkrafteten die Belastung unterschiedlich. Knöchel und Kniegelenke meldeten sich von Zeit zu Zeit, aber eher aufgrund von älteren Beschwerden. Maggi hatte mehr mit den Schuhen zu kämpfen: Da bei der Hitze die Füße stärker anschwollen, wurden die Trekking-Schuhe bald zu eng. Folge: Blasen an den Zehen. Während der Wanderung neu gekaufte Laufschuhe mussten natürlich erst eingelaufen werden. Folge: wieder Blasen an anderen Stellen.

Insgesamt lässt sich aber der körperliche Zustand so beschreiben: Je länger man lief, tat immer etwas weh. Aber nichts, was nicht am nächsten Tag weg oder zumindest deutlich besser war. So fiel es uns niemals schwer, in der Früh wieder weiter zu wandern!

Mental war es schon schwieriger. Nach rund eineinhalb Monaten Laufen, täglichem Ein- und Auspacken und jede Nacht in einem anderen Bett hatten wir schon einen Durchhänger! Je näher das Ziel kam, desto mehr legte sich dieses Gefühl aber und man konnte wieder locker und leicht in freudiger Erwartung »die letzten Kilometer« angehen.

Das Wetter

Heiß und trocken – so kurz lässt sich das Wetter beschreiben. Während der gesamten 59 Wandertage hatten wir genau sechs Stunden (!) Regen. Einige Wandertage mit deutlich über 30 Grad Celsius verlangten uns aber einiges ab. Besser und kühler wurde es erst, als wir uns der Küste näherten.

Die Einkehrmöglichkeiten

Naiv wie wir waren, starteten wir ohne Getränke im Gepäck – getreu dem Motto: Alle paar Kilometer kommt ja eh ein Biergarten oder Gasthof. Weit gefehlt. Gefühlt 70 bis 80 Prozent der Locations, die wir ansteuerten, waren entweder dauerhaft geschlossen oder an diesem Tag geschlossen. Die im Internet angegebenen Öffnungszeiten waren meistens nicht mehr aktuell. Da half nur eines: Immer genug Wasser dabei haben. Und so wurden die Supermärkte auf unserer Reise unsere besten Freunde.

Die Übernachtungen

Es war auch nicht immer einfach, Übernachtungsmöglichkeiten zu finden. Manche Hotels existierten einfach nicht mehr. Dies zwang uns, bei der Voraus-Reservierung von anfänglich einen Tag auf fünf bis sechs Tage zu wechseln und einige Umwege zu machen.

Die Erfahrungen

Unterm Strich haben wir nur gute Erfahrungen gemacht. Uns sind sehr freundliche und liebe Menschen begegnet. Wenn wir von unserem Vorhaben erzählt haben, gingen für uns viele Türen auf. Viele haben ihre Gaststätte auf Nachfrage für uns geöffnet oder uns ihre Ferienwohnung zur Verfügung gestellt, auch wenn normal nicht für eine Nacht vermietet wurde.

Bezüglich Ruhepausen: Bänke und schattige Plätzchen kamen garantiert nie, wenn wir sie nötig gehabt hatten. Ein Tipp dazu: Auf Friedhöfen gibt es meist eine ruhige Bank für müde Wanderer. Und noch eines haben wir gelernt: In der Natur lauern einige Gefahren. Wandern durch kniehohes Gras oder durch das Unterholz kann zu juckenden Hautausschlägen führen. Stechmücken und andere Insekten machten uns das Leben einige Male schwer. Eine Zeckenschutzimpfung vor so einer Tour macht ebenfalls Sinn – Maggi hatte drei davon!

Und nein, die Tour war kein Stresstest für unsere Beziehung. Wir haben uns nach 28 Jahren Ehe gegenseitig nochmals besser kennengelernt. Würden wir es wieder machen? Nicht sofort, aber in einigen Jahren – warum nicht?

Die Statistik

Gewanderte Gesamtstrecke 1049 km; 13 500 Höhenmeter.

Gesamtzeit 72 Tage, davon 59 Wandertage und 13 Tage Ruhepause.

Durchschnittliche Tagesstrecke: 17,8 km; (mindestens 9 km; maximal: 27 km).