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»Finisher der Herzen«: Tina Gröne und Florian Reiterberger mussten das Trans-Balkan-Race kurz vor dem Ziel nach einer Horrornacht im Bora-Sturm abbrechen.

»Das war Heavy-Metal-Wetter« – Tina Gröne und Florian Reiterberger müssen das Trans-Balkan-Race abbrechen

Diese Horrornacht werden Florian Reiterberger und Tina Gröne wohl nie vergessen: Die beiden Extrem-Radfahrer aus Eggstätt sind bei ihrem letzten Abenteuer in den berüchtigten Bora-Sturm gekommen. Mitten im Gebirge in Montenegro, irgendwo im nirgendwo, völlig auf sich allein gestellt. »Der Sturm kam praktisch aus dem Nichts«, blickt Tina Gröne zurück. »Ein Teil unserer Ausrüstung hat der Wind einfach davon gerissen«, ergänzt Florian Reiterberger.


Die Nacht verbrachte das Paar klitschnass aneinandergekauert auf einem Aussichtsturm – und das war ihr großes Glück, denn so waren sie zumindest ein wenig vor dem pfeifenden Wind und dem heftigen Wetter geschützt.

»Das war wirklich ein Not-Biwak«, sagt der erfahrene Reiterberger rückblickend, der ja schon viele solcher Selbstversorger-Rennen über mehrere Tage bestritten hat und auch wegen seiner Zeit bei der Bundeswehr genau weiß, was in der Wildnis in solchen Situationen zu tun ist. »So was habe ich wirklich noch nie erlebt. Das war Heavy-Metal-Wetter«, ergänzt er.

Auch deshalb trafen die beiden noch in der Nacht die einzig richtige Entscheidung – so schmerzlich sie aus sportlicher Sicht auch war: Das Trans-Balkan-Race (TBR) war kurz vor dem Ziel an der Kotor-Bay (Montenegro) für sie nach Tagen und Nächten der Schinderei zu Ende. »Das war vor allem für Tina sehr bitter«, berichtet Reiterberger. »Sie hat wirklich bis zum Schluss gekämpft und alles gegeben.« Doch Reiterberger macht deutlich: »Es gilt immer: Sicherheit zuerst.«

Und nach der Horrornacht – es regnete in der Früh noch immer stark – war nicht mehr daran zu denken, auch noch über den allerletzten Berg mit den Rädern zu kommen. »Wir waren wirklich völlig ausgelaugt.« Die beiden brachen freilich dennoch auf, um so schnell wie möglich auf einem sicheren Weg nur noch runter vom Berg zu kommen. Im ersten Dorf angekommen – mittlerweile scheinte auch wieder die Sonne – trockneten sie sich erst einmal und stärkten sich bei einem üppigen Frühstück ausgiebig. Dann nahmen sie die letzten gut 100 Kilometer bis zum Ziel auf der Straße in Angriff.

Dort wurden sie trotz der Aufgabe groß gefeiert. »Wir sind zum Finisher der Herzen gekürt worden«, erzählt Reiterberger und lacht. »Damit können wir absolut happy sein.« Hätte das Paar sich am Berg in jener Nacht anders entschieden, so ist sich Reiterberger sicher, »dann wäre das nach hinten losgegangen«.

So aber blicken sie auf erlebnisreiche und abwechslungsreiche Tage »in der letzten Wildnis Europas« zurück. »Wir haben viel gesehen und haben nette Leute kennengelernt«, erzählt Tina Gröne, die früher einmal bei der DJK Nußdorf Fußball gespielt hat und dann zum Triathlonsport umgestiegen ist. »Sportlich gesehen war es die größte Herausforderung, die ich jemals gemacht habe«, ergänzt sie.

Von Anfang an stand das TBR für die beiden dabei unter keinem guten Stern. Wenige Wochen vor dem Start hatte Reiterberger einen unverschuldeten Unfall mit seinem Rennrad – und hatte dabei enormes Glück, dass er sich nicht schlimmer am Rücken verletzt hatte. So biss er auf die Zähne, wurde rechtzeitig fit und ging mit seiner Lebensgefährtin bei der ersten Auflage des TBR voller Vorfreude an den Start. Los ging es in Sezana in Slowenien. Die Strecke führte die Starter dann weiter über Kroatien, Bosnien-Herzegowina eben an die Kotor-Bay von Montenegro. Alles in allem mussten die Teilnehmer 1300 Kilometer und 27 000 Höhenmeter durch elf Nationalparks innerhalb von 9,5 Tagen zurücklegen. Dabei waren zwei Checkpoints zu passieren, aber auch ansonsten war die Route genau vorgegeben. »Das war schon allein wegen der dortigen Minenfelder wichtig«, hebt Reiterberger hervor.

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Das unbeständige Wetter machte es den Startern des Trans-Balkan-Race alles andere als leicht: Nach heftigen Regenfällen war teilweise auch schieben angesagt.

Rund 82 Bikepacker aus aller Welt – darunter 15 Zweier-Teams, der Rest waren Einzelstarter – stellten sich dieser sportlichen und kräftezehrenden Herausforderung, nur rund die Hälfte kam im Ziel an. »Das Rennen war wirklich nicht ohne«, betont der erfahrene Biker. »Der Anspruch war deutlich schwieriger, als ich es erwartet habe.«

Und gerade die Einsteiger in diese Szene machten ein paar entscheidende Fehler. Als sich Reiterberger an einem Morgen extrem mit Wasser, Cola und Essen ausstattete und sich dieses teilweise auf den Rücken schnallte, hatten ein paar andere Teilnehmer nur ein müdes Lächeln für ihn parat. Doch die Starter mussten rund 50 Kilometer über einen hohen Berg drüber – die Tortur dauerte für alle mehrere Stunden. »Und da gab es nichts. Sprich: Ihnen ist bald das Wasser und die Verpflegung ausgegangen – uns nicht.« Und während Reiterberger und Gröne diese Herausforderung (»Das war eine richtige Hausnummer – vor allem auch bei der Hitze«) mit Bravour meisterten, war an diesem Tag für einige von den anderen Startern der Ofen aus.

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Landschaftlich hat das Trans-Balkan-Race, das von Slowenien bis nach Montenegro führt – wirklich einiges zu bieten. (Foto: Cyril Chermin)

Die ersten Tage ging es für Gröne und Reiterberger sehr gut dahin. Die Sonne schien, die Landschaft war immer wieder herrlich und entschädigte für so manche Strapazen. Und auch die Begegnungen mit so manchen Tieren in dieser beeindruckenden Wildnis ist den beiden nachhaltig in Erinnerung geblieben. »Wir haben Braunbären und Wildpferde gesehen«, erzählt Florian Reiterberger, der bei seinen Abenteuern immer wieder Spendengelder für das Heilpädagogische Zentrum (HPZ) in Ruhpolding sammelt und damit viel Gutes tut. »Und einmal mussten wir auch einem Stier mit seiner Familie ausweichen.«

Die beiden waren absolut im Zeitplan und fanden auch immer wieder geeignete Plätze in der Nacht, um sich für ein paar Stunden ausruhen und schlafen zu können. Doch das Wetter spielte dann plötzlich nicht mehr mit. Die beiden wurden immer wieder von Unwettern gestoppt. »Es fiel teilweise auch Hagel, der so groß wie Murmeln war«, berichtet Reiterberger.

Der Regen erschwerte zudem die Fahrt auf dem lehmigen Boden erheblich. »Wenn es trocken war, ist das Rad darauf ziemlich gut gerollt. Aber nach dem Regen war der Untergrund wie Seife.« Deshalb musste das Paar die Räder auch immer wieder mal schieben und so einen erheblichen Zeitverlust in Kauf nehmen. »Das hat wirklich unseren ganzen Plan durcheinandergebracht«, berichtet Tina Gröne.

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Überall entlang der Strecke gab's immer wieder Warnschilder wegen Minenfelder. Die Teilnehmer mussten also auch deswegen gut aufpassen. (Fotos: Reiterberger)

»Aber wir wären noch immer im Zeitlimit gewesen«, ergänzt Reiterberger. Den Plan für die letzte Nacht legten sich die beiden auch bereits zurecht. Zwei, drei kurze Powernaps sollten es sein, den Rest wollten sie durchfahren, um noch rechtzeitig am Ziel anzukommen. Aber daraus wurde nichts: Der Bora-Sturm durchkreuzte ihre Pläne. Doch diese letzte Horrornacht gerät bei den beiden auch schon ein wenig in den Hintergrund. »Die schönen Erlebnisse kommen jetzt immer mehr in den Vordergrund, die nimmt man dann auch mit.«

Nach ein paar Tagen der Erholung sitzen die zwei Sportler übrigens auch schon wieder auf dem Rad. »Jetzt ist es an der Zeit, neue Pläne zu schmieden«, sagt Florian Reiterberger augenzwinkernd. Zwei, drei Sachen für das nächste Jahr hat er schon im Kopf. Und man müsse jetzt auch mal schauen, was der Herbst noch so bringe, kündigt er an. Auf jeden Fall will er dann auch in Vorträgen über die Erlebnisse der beiden beim Trans-Balkan-Race berichten. Und: »Wir sind jedenfalls schon wieder bereit für das nächste Abenteuer.«

SB