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Müde, aber glücklich: Tina Gröne und Florian Reiterberger haben das Race around Germany erfolgreich gemeistert. (Fotos: Reiterberger/Gröne)

»Die Strecke fordert von Material, Körper und Geist alles«: 23.000 Höhenmeter in zwölf Tagen beim Race around Germany

Florian Reiterberger liebt die Herausforderung – und der Extremsportler hat jetzt sein nächstes Projekt erfolgreich zu Ende gebracht. Beim Race around Germany (RaG) legte der Eggstätter 3300 Kilometer und 23.000 Höhenmeter zurück – und das in zwölf Tagen, zehn Stunden und 25 Minuten. »Die Strecke fordert von Material, Körper und Geist alles«, berichtet er. »Nicht umsonst gilt das RaG als einer der härtesten Radmarathons.«


Reiterberger nahm das Rennen, das das ganze Jahr über von jedem beliebigen Ort in Deutschland aus gestartet werden kann, dabei ohne Supportwagen in Angriff. »Es war alles in Eigenorganisation«, erzählt der begeisterte Radfahrer, der in Bad Reichenhall arbeitet und bei einigen seiner Aktionen auch immer wieder Spenden für das Heilpädagogische Zentrum (HPZ) in Ruhpolding sammelt.

Dafür bekam er diesmal aber Unterstützung von seiner Lebensgefährtin Tina Gröne, die spontan mit ihm mitfuhr. Das Besondere dabei: Sie ist erst die zweite Frau überhaupt, die das RaG erfolgreich beendet hat. Der Lohn: Beide durften sich am Ende das offizielle RaG-Shirt überstreifen und sind ab sofort auch in der Hall ofFame des RaG gelistet.

Florian Reiterberger hatte das RaG schon ein paar Jahre auf seiner To-do-Liste. Jetzt passte alles und so fuhr das Paar, das auch als sportliches Team bestens harmoniert, zusammen los. Beeindruckt zeigte sich Reiterberger am Ende vor allem von der Leistung seiner Freundin. »Das ist schon eine enorme Herausforderung gewesen und normalerweise starten ja eigentlich nur Männer.« Gut sei gewesen, dass »Tina nicht so genau gewusst hat, was auf sie zukommt«, lacht er. Das empfindet auch Tina Gröne im Nachhinein so: »Ich habe mir gar nichts dabei gedacht«, lacht sie und ergänzt: »Es war anstrengend und ich war letztlich schon selber über mich erstaunt, dass ich das alles so gut weggesteckt habe.«

Aber auch für Florian Reiterberger war das Rennen eine Herausforderung. Der Extremsportler betrat erstens in Sachen Ausrüstung Neuland und zweitens steckte ihm noch die Grenzsteintrophy, das Selbstversorgerrennen finishte er erst im Juni erfolgreich, in den Knochen. »Normalerweise bin ich mit dem Mountainbike oder dem Fatbike unterwegs. Diesmal war's eben das Rennrad«, erzählt er und ergänzt: »Und ich bin alles, bloß kein Rennradfahrer.«

Doch Reiterberger und sein Rad wurden bald eins und so kann er sich durchaus vorstellen, bald mal wieder mit dem Rennrad loszufahren. »Es gibt da schon gewisse Ideen«, deutet er an. »Wenn es für mich einen Reiz hat, warum sollte ich das nicht machen?«

Das Race around Germany starteten die beiden übrigens direkt vor ihrer Haustüre. »Und es war wirklich alles dabei«, erzählt Reiterberger. »Vom Kopfsteinpflaster, zum Plattenweg bis hin zur Bundesstraße.« Auch wettertechnisch hatte der Radmarathon alles zu bieten. »Bis auf Schnee und Hagel hatten wir alles dabei«, sagt Reiterberger. Am Anfang der Tour machte den beiden immer wieder viel Regen das Leben schwer. »Da wurden wir ein paar Mal sauber abgewaschen. Aber dafür hat man ja sein Regengewand dabei.« Dann mussten sie oft auch noch gegen einen massiven Gegenwind ankämpfen und schließlich fuhren sie auch bei 30 Grad und sengender Sonne. »Das RaG ist schon eine harte Nuss, die geknackt werden will.«

10,5 Stunden bis 13,5 Stunden war das Duo täglich unterwegs und legte dabei 250 bis 300 Kilometer zurück. Genau planen kann man das Rennen im Vorfeld nicht. »Da gibt's zu viele externe Einflüsse, die das Rennen bestimmen«, erzählt Reiterberger aus Erfahrung und zählt einige Beispiele auf: »Wetter, körperlicher Zustand, Baustellen, die eventuell umfahren werden müssen, Straßenverhältnisse, Gegenwind, Defekte am Rad.« Von Letzteren ist das sportbegeisterte Paar weitgehend verschont geblieben. »Ein platter Reifen, ein Steuersatz, der neu verspannt werden musste, einmal Schaltung nachjustieren – das war neben Kette schmieren alles«, berichtet Reiterberger. »Andere hatten da oft weniger Glück. Der Rekord liegt, wenn ich richtig liege, bei sieben platten Reifen auf zehn Kilometer.«

Nur einen fixen Stopp hatten Reiterberger und Gröne eingeplant – und zwar in Lübeck »bei einem Freund, den ich beim Yukon Arctic Ultra kennengelernt habe«. Ansonsten war viel Improvisation gefragt. »Wir haben im Schnitt meist nur fünf Stunden geschlafen«, sagt Gröne. Es sei gerade im Osten schwierig gewesen, noch eine Unterkunft zu bekommen. »Einmal haben wir deshalb auch in einer Werkstatt geschlafen«, sagt sie. »Das war auch ganz nett. So haben wir nicht umsonst den Schlafsack und die Matratze mitgeschleppt.«

Problematisch sei aber die Ernährung gewesen. »Wir haben oft abends nicht mal mehr was zum Trinken bekommen, weil schon alles zu hatte«, berichtet Gröne. Die beiden mussten daher oft an Tankstellen oder Imbissbuden essen. »Ich habe so viele Burger, Tütenschokolade und Weingummi gegessen, wie in meinem ganzen Leben noch nicht. Du hast auf alles Hunger«, lacht sie.

Warum man sich das antut? »Es gibt auch immer wieder nette Begegnung«, freuen sich die beiden. Einmal seien sie in einem geschlossenen Radgeschäft hängen geblieben. »Wir wollten dort nur schnell die Räder aufpumpen. Aber die Besitzerin war so nett und hat uns einen Kaffee ausgegeben. So haben wir uns manchmal halt auch verquatscht«, erzählt Gröne.

Auch deshalb war's am Ende »zugegeben nicht die schnellste Zeit, aber darum ging es uns auch nicht«, hebt Reiterberger hervor. »In diesem Rennen, das bis dato rund 50 Prozent Ausfall hat, ging es uns nur ums Finish.« Aufhören stand für die beiden auch nie im Raum. »Selbst als ich gegen massiven Elektrolytmangel kämpfen musste«, berichtet Reiterberger. Er konnte seine Akkus Gott sei Dank schnell wieder auffüllen – und so ging's auf die letzten Etappen des RaG, die es auch noch einmal in sich hatten. »Am dritt- und zweitletzten Tag haben wir nochmals 7500 Höhenmeter gehabt«, sagt Gröne. »Das ging Rampe rauf, Rampe runter.« Da habe sie sich abends nur noch in die Pension geschleppt. Doch die Strapazen waren am Ende schnell vergessen: »Alles in allem war es eine sehr schöne Sache«, fasst sie zusammen.

Nach ein paar Tagen verdienter Pause sind die beiden auch schon wieder auf dem Rad gesessen. »Zum Beine lockern«, wie sie berichten. Für Florian Reiterberger beginnt demnächst dann auch schon wieder die Vorbereitung auf sein nächstes Abenteuer. Das steht für Anfang März 2022 in seinem Terminkalender. Für ihn geht's dann zum Lapland Arctic Ultra und auf die Wildnis dort freut er sich riesig. »Bei minus 35 bis 45 Grad – das ist genau meins«, lacht er. Ob dazwischen auch noch was wird? »Schauen wir mal«, sagt der Extremsportler vielsagend. Seine To-do-Liste ist zwar jetzt um das Race around Germany ärmer, aber dafür hat sie ja noch einige weitere spannende Projekte zu bieten.

SB