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Moderator Andreas Hobmaier (links) moderierte die Fragerunde mit Bergsteigerlegende Reinhold Messner. (Foto: Wunderlich)

Hoher Besuch in Übersee: Reinhold Messner spricht über seinen Schicksalsberg – Fragerunde mit den Gästen

Es war das Highlight des Chiemgau Outdoor Festivals in Übersee (wir berichteten bereits): der Auftritt von Extrembergsteiger Reinhold Messner. Er sprach über seinen Schicksalsberg, den Nanga Parbat, ein Achttausender im Westhimalaya und mit 8125 Metern Höhe der neunthöchste Berg der Erde. In die deutsche Geschichte ging der Nanga Parbat als Sehnsuchtsort während des Nationalsozialismus ein.


Der Nanga Parbat gilt unter den Alpinisten als einer der anspruchsvollsten Achttausender. Er forderte bereits viele Todesopfer und es spielten sich dort wahre Tragödien ab. 1895 gab es den ersten Besteigungsversuch. Messner betonte, dass die Welt des Bergsteigens zu dieser Zeit eine ganz andere war als heute. Jetzt seien die Aufstiege mit Seilen präpariert und es sei eine Art Tourismus entstanden, die es für viele Menschen möglich mache, mit viel Ausstattung und großer Begleitmannschaft hohe Berge zu besteigen, sagte er.

Auch von seiner eigenen Besteigung des Nanga Parbats im Jahr 1970 unter der Expeditionsleitung von Karl Herrligkoffer berichtete er ausführlich. Mit seinem Bruder Günther hatten sie schon 40 Tage in der Wand ausgeharrt, als sich wieder schlechtes Wetter ankündigte. Reinhold Messner wollte den Versuch, ganz nach oben zu kommen, alleine wagen. Er schilderte die dramatischen Ereignisse, die dann folgten: Sein Bruder Günther stieg ihm in der äußerst schwierigen Route über die Rupal-Wand, die höchste Steilwand der Erde, nach. Nachdem sie gemeinsam den Gipfel erreicht hatten, erkannte Reinhold Messner beim Abstieg, dass sein Bruder Günther Anzeichen der Höhenkrankheit zeigte. Sie mussten deshalb auf der »Merkl Scharte« auf 7800 Metern Höhe nachts biwakieren. Messner bezeichnete diese und die folgenden Nächte als die schlimmsten seines Lebens. Beide waren von höllischem Durst geplagt. Reinhold Messner versuchte, seinen Bruder zu schonen und ging voraus, um einen gangbaren Weg abwärts zu finden. Dann kehrte er wieder um, um den Bruder zu holen. Bei einer dieser Aktionen geriet der zurückgebliebene Günther Messner in eine Lawine und wurde verschüttet. Reinhold Messner suchte viele Stunden nach seinem Bruder – erfolglos. Mehr tot als lebendig und auf allen Vieren kriechend wurde er schließlich von Holzfällern gefunden, mit denen er sich nicht verständigen konnte. Er bekam Honig und saure Milch, wog nur noch 56 Kilo und konnte sich selbst im Spiegel nicht wiedererkennen. Später wurde er in eine Klinik gebracht.

Er bezeichnete den Tod des Bruders als eine lebenslange Belastung. Reinhold Messner hat danach den Nanga Parbat noch mehrfach bestiegen, auch im Alleingang mit nur 60 Kilogramm Gepäck statt mit neun Tonnen bei geführten Expeditionen. Er erzählte, dass der Nanga Parbat für ihn eine besondere Bedeutung habe. »Mit den härtesten und schlimmsten Erlebnissen und der Nahtoderfahrung«, sagte er.

Nach 35 Jahren hat der Berg die Leiche von Günther Messner freigegeben – genau an dem Ort, den Messner 1970 beschrieben hat. Messner zeigte Fotos von dem Schuh seines Bruders und einer geheimen Schnur, durch die er seinen Bruder identifizieren konnte. Bei seinem Besuch an der Fundstelle war auch ein Arzt dabei, der Gewebeproben nahm. Nach der Untersuchung konnte dadurch die Identität von Günther Messner eindeutig bewiesen werden. Damit war den damals aufgekommenen Verschwörungstheorien jegliche Grundlage entzogen. Zusammen mit seiner Familie hat Reinhold Messer später eine Feuerbestattung an der Fundstelle zelebriert.

Moderator Andreas Hobmaier und die zahlreichen Besucher konnten im Anschluss an den Vortrag Fragen stellen. Eine ging um die Akklimatisierung beim Bergsteigen. Messer empfahl, sich Zeit zu nehmen und sah in der Übernachtung die wichtigste Komponente. Ein bis zwei Nächte auf 3500 bis 4000 Meter anfangen, dann weitere Nächte über 4000 und 5000 Meter. Der Körper sollte Zeit haben, rote Blutkörper zu bilden. Welche Nahrung in großer Höhe am besten sei, wurde auch gefragt. Die Nahrung sei sekundär, sagte Messner. Es sei viel wichtiger, sehr viel zu trinken. Der Appetit sei eher gering und werde meist mit leicht verdaulichen Suppen befriedigt.

Moderator Hobmaier zeigte anhand von Zahlen, die Entwicklung des Bergsteigens auf: Bis zum Jahr 1980 bestiegen nur 99 Menschen den Mount Everest, vierzig Jahre später waren es in nur einer Saison 878 Menschen, elf starben dabei. Messner betonte, dass das Höhen-Bergsteigen heute ein Tourismus ist. Die Berg-Touristen kaufen sich den Gipfel quasi für sehr viel Geld und erwarten eine »Fünf Sterne«-Betreuung. Eine riesige Zeltlandschaft steht am Fuß des Berges, 150 Sherpas sind im Basislager, zudem gibt es dort Ärzte und Köche. Es gibt Wege mit Seilen und wo es nötig ist, werden Brücken und Leitern installiert, damit die Menschen den höchsten Berg besteigen können. Diese Umstände hätten mit dem traditionellen Alpinismus gar nichts mehr zu tun.

Den Klettersport an der Boulderwand findet Messner einen großartigen Sport, aber auch er hat eben nichts mit Alpinismus zu tun. Dabei geht es um die Auseinandersetzung mit der Natur, die jeden Tag anders ist.

Er brach auch eine Lanze für die Bergbauern, die einen großen Teil zum Erhalt der Berge beitragen. Sie sollten unterstützt werden – zum Beispiel durch vernünftige Milchpreise und die Nutzung der Möglichkeiten von »Ferien auf dem Bauernhof«.

Auf die Frage, was Reinhold Messner machen würde, wenn er heute nochmals 25 Jahre alt wäre, war seine klare Antwort: »Noch mehr auf Reduktion achten.« Er erinnerte daran, dass der Mensch »ein Nichts« ist im Verhältnis zur Natur! Bei der Frage nach seinem Lebensmotto in jungen Jahren und jetzt, betonte Messner, dass es Werte gebe, die ihm damals wie heute heilig seien. »Wie ein selbstbestimmtes und selbstverantwortliches Leben«, hob er hervor. Er beklagte die heutige Naturferne. Es kam auch die Frage, ob er schon einmal über seinen Ruhestand nachgedacht habe? Er habe eine junge Frau, die kreativ und lebensfroh sei und sie haben gemeinsam jede Menge Ideen, die sie noch umzusetzen wollen, antwortete er.

Eine Aussage von Messner ist: »Du kannst die Motivation wie einen Muskel trainieren.« Doch wo genau sitzt dieser Muskel? Messners Antwort kam prompt: »Dieser Muskel sitzt im Gehirn!« Die Motivation, ein Ziel zu erreichen, passiere sukzessive in kleinen Schritten. Es sei wichtig, sich gut vorzubereiten und sich voll mit diesem Ziel zu identifizieren, empfahl Reinhold Messer – und er muss es schließlich wissen.

wun